Pure Bliss
Welche Bereiche in unserem alltäglichen Leben haben sich in Zeiten der Pandemie grundlegend verändert? Die Gruppenausstellung Pure Bliss widmet sich anhand von zeitgenössischen Malereien, Installation und Skulptur dieser Fragestellung.
Wir alle sind es mittlerweile gewohnt in Zeiten, in denen wir von systemrelevantem Verzicht sprechen, Kunst vor allem im digitalen Raum zu konsumieren. Die Gruppenausstellung Pure Blisssoll Lust machen, sich auch wieder dem analogen Galerienbesuch anzunähern. Die Ausstellung gliedert sich in sechs, sich teilweise überschneidende Bereiche: dem Kaffeehausbesuch, unseren Arbeitsbereichen, Geselligkeit und sozialer Umgang, Sport und Fitness, Liebe und Dating sowie dem Reisen. Ausgehend von der zentralen Figurengruppe Running People (2020), des internationalen Kunststars Julian Opie, präsentiert die Galerie HAAS & GSCHWANDTNER aktuelle Werke von aufstrebenden sowie etablierten Künstler_innen, die sich mit Themen auseinandergesetzt haben. Kurz: Mit der reinen Glückseligkeit, die wir alle hoffen bald wieder zu finden.
Der zeitgenössische britische Künstler Julian Opie ist bekannt für seinen Stil, Elemente aus der Pop Art, der Grafik und des Minimalismus in seine sehr eigene künstlerische Sprache zu transformieren. Die Skulpturengruppe Running People zeigt Umrisse von Figuren, dargestellt durch dicke und bunte Linien. Opies Figuren eilen bildlich gesprochen durch die Straßen, es sind Geschäftsleute, Jogger_innen oder Menschen die zu ihren Verabredungen eilen. Sie stellen dicht aneinandergedrängte Menschenmassen dar, die im vergangenen Jahr gänzlich aus unserer alltäglichen Wahrnehmung verschwunden sind.
Neu im Galerieprogramm sind auch drei aufstrebende junge Salzburger Künstlerinnen: Magdalena Heller, Kathrin Isabell Rhomberg und Zoe Vitzthum. Die drei Künstlerinnen präsentieren in der Gruppenausstellung Malereien und Skulptur, die sich auf nun doch schon ungewohnte Freiheiten beziehen.
Das großformatige Ölgemälde Freedom (2017) von Magdalena Heller zeigt zwei Jugendliche, die heimlich im Dunkeln „abhängen“. Unter ihnen ist der Schriftzug „Freedom“ zu lesen. Die Künstlerin beschäftigt sich mit Subkulturen, stellt Momente aus den Leben von Rebellinnen, Mitläuferinnen und Außenseiterinnen dar.
In ihrer Installation Picknick 1 +2 (2021) thematisiert Zoe Vitzthum u.a. den in Salzburg zum Standard gehörenden Kaffeehausbesuch. Hierfür hat sie unzählige Tortenstücke renommierter Salzburger Kaffeehäuser abgegossen. Die süßen Verführungen schmolzen während des Werkprozesses, ihre verlorenen Formen sind aus Keramik nachgebildet. Präsentiert werden diese auf Picknicktischchen aus Gips, quasi als Relikte vergangener Tage. Die Installation Kaffeemaschine 1–3 (2021), verbindet die Künstlerin mit vielen Besuchen bei ihren Eltern. Das heimelige Gefühl in der Küche, das zischen und brummen der Kaffeemaschine und das tröpfelnde Geräusch des Kaffees, der in die Tasse rinnt. Das alles sind Emotionen und Wahrnehmungen, die in der Objektgruppe umgesetzt werden. Auch die Besuche bei den Eltern, haben sich durch die Pandemie grundlegend verändert.
Die dritte Neuentdeckung der Galerie ist Kathrin Isabell Rhomberg, die jüngst auch für den STRABAG Artaward 2021 nominiert wurde. In ihren sinnlichen Malereien dreht sich letztlich alles um die Erfahrung der Welt. Unsere realen Erfahrungsräume sind durch die Pandemie gerade massiv reduziert worden, durch Homeoffice, Quarantäne und Isolation wurden unsere Mobilität, aber auch unsere Sinnesreize und Eindrücke deutlich verringert. In ihren teils großformatigen Malereien schafft sie bildliche Erfahrungsräume.
Wie sich auch die Arbeits- und Ateliersituationen für Künstler_innen verändert haben, zeigt Tina Graf in ihrer großformatigen Zeichnung Busch (2020). Hier öffnet sich der Ausblick auf den Balkon der Künstlerin, die mittlerweile in Wien lebt und arbeitet. Während der Lockdowns war es für viele Künstler_innen nicht möglich grafische Druckwerkstätten oder gemeinschaftliche Ateliers aufzusuchen. Der Arbeitsbereich wurde somit in den privaten Bereich, oftmals in kleine Wohnung verlegt.
Ein weiterer Themenbereich der Ausstellung ist das Reisen. Mit dem Künstlerinnenbuch A Cyclist’s Alphabet erzählt Tina Graf, die Geschichte ihrer Fahrradreise 2020, die sie ursprünglich bis auf die asiatische Seite Istanbuls führen sollte. Durch Reiseeinschränkungen aufgrund von Covid-19 fuhr sie einmal rund um Österreich herum und entdeckte neue Freiheiten, Plätze und Orte, die sie ohne die Restriktionen der Pandemie wohl nie kennengelernt hätte.
Untitled I, aus der Serie Walls. Interrupted (2020) der Wiener Künstlerin Birgit Graschopf entstand kurz vor dem ersten Lockdown 2020. Sie ist die letzte außereuropäische Reise, die die Künstlerin für ihre Recherchen machen konnte. Die Fotografie, belichtet auf Beton, zeigt eine verlassene Parkgarage in Bangkok, Thailand, welche nach der Wirtschaftskrise 1997 nicht mehr fertig ausgeführt wurde. Graschopf inszeniert sich in dieser verlorenen Architektur. Ein neues Element in ihren Arbeiten ist das Cholorieren dieser. Der Übergang von Zivilisation in die Natur wird durch den leichten grünlichen Schimmer verdeutlicht.
Auch Julian Khol weist in der großformatigen Ölkreidezeichnung bow (2020) auf die Sehnsucht des Reisens hin. Die Palme ist seine manifestierte Erinnerung an einen Atelieraufenthalt in Los Angeles, USA im Jahr 2018 und in Miami, USA, im Jahr 2019. Als Student bei Christian Ludwig Attersee und Herbert Brandl wollte er sich immer wieder neu erfinden. Keine Malerei sollte wie die nächste aussehen, Formen und Farben mussten sich beständig ändern. Die Palme auf seinen Zeichnungen ist ein variables Motiv. Die Wiederholung wird zu einem angenehmen Rhythmus, wie ein Lied, in dem bestimmte Tonabfolgen ebenso wiederholt werden.
Der Genuss spielt in den Malerein von Heiner Meyer eine prägende Rolle. Die runden Ölmalereien auf Holz, aus der Serie BIG SAVER (2015) stellen überdimensionale Donuts dar. Sie ergänzen, gemeinsam mit der frühen Arbeit Bakery Hommage an Thiebaud (1984) den Bereich der in Salzburg so typischen Kaffeehausbesuche.
Liebe, Dating und die sinnliche Verführung haben sich ebenso in den digitalen Raum verlagert. Objekte aus Keramik und Porzellan aus der Serie Die Büchse der Pandora (2006/07) von Barbara Reisinger zeigen Szenen aus erotischen Internetfilmen, die rare Lithografie Miss Kiss (2012) des verstorbenen US-amerikanischen Pop-Art Künstlers Mel Ramos erinnert an verbotene erotische Treffen.
Auch der Sport und körperliche Aktivitäten in Fitnessstudios haben sich grundlegend verändert oder finden nicht mehr statt. Sportliche Betätigungen, wie das Joggen oder das Spazieren oder auch Yoga in unseren privaten Räumen sind uns erlaubt. David Meran, der seine Skulpturengruppe Untitled (but solid and smooth) Yoga Mats (2019) schon vor der Pandemie gestaltete, kombiniert das Material mit Beton. Gerollt und gefaltet erinnern die üblichen Sportartikel an antike Stelen, sind Symbole für vergangene gemeinsame Fitnessaktivitäten. Die Artefakte weisen auch auf Merans gesellschaftskritische Inhalte hin, in denen er auch auf die Frage der Herkunft des Materials stellt. Der Großteil wird in China produziert und besteht zu 100 Prozent aus Erdöl, einem nicht mehr abbaubarem Material. Yoga gehört in unserer Gesellschaft mittlerweile zu den Standardwohlfühlaktivitäten, die allen verspricht, sie von Krankheit und Ärger zu befreien und glücklich zu machen.
Biografien
Tina Graf
*1997 in Taitung, Taiwan, lebt und arbeitet in Wien
Das Studium der Bildenden Künste und Gestaltung an der Universität Mozarteum, Salzburg schloss Tina Graf 2019 ab. Seit Herbst 2019 Studium der Grafik und Druckgrafik an der Universität für angewandte Kunst, Wien bei Jan Svenungsson. Der Mensch steht in ihren Druckgrafiken, aber auch großformatigen Gemälden im Zentrum, genauso wie gesellschaftliche Reibungspunkte und Frauenrollen im Alltag. Zur Zeit stellt die Künstlerin auch aktuelle Grafiken in der Galerie pro arte in Hallein aus.
Birgit Graschopf
*1978 in Wien, lebt und arbeitet in Wien
Birgit Graschopf absolvierte das Studium der Fotografie an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. In ihren Werken verbindet sie das Medium der Fotografie mit Aspekten des Zeichnens und dem Stilmittel der Perforation. Menschen und Körper werden sowohl auf aktuellen Perforationen, als auch frühen Zeichnungen auf japanischem Reispapier in Erzählsträngen dargestellt. Graschopfs Arbeiten finden sich in österreichischen Museen, u.a. der Albertina in Wien, als auch zahlreichen Privatsammlungen im In- und Ausland.
Magdalena Heller
*1993 in Mondsee, lebt und arbeitet in Salzburg
Magdalena Heller befindet sich mit ihren Arbeiten an den Schnittstellen zwischen zeitgenössischer Malerei, künstlerischer Fotografie und Videokunst sowie Selbstinszenierung. In ihren künstlerischer Arbeit beschäftigt sie sich mit jungen Frauen und deren Möglichkeiten bzw. Grenzen in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft. Realitätsflucht und virtuelle Welten spielen dabei immer eine große Rolle, genauso wie Gesellschaftspolitik sowie aktuelle politische Umbrüche.
Julian Khol
*1979 in Wien, lebt und arbeitet in Köln und Wien
Julian Khol begann seine Karriere als Maler vor mehr als 15 Jahren an der Universität für Angewandte Kunst in Wien bei Christian Ludwig Attersee. 2009 wechselte er in die Meisterklasse von Herbert Brandl an die Kunstakademie Düsseldorf. Er ist in seiner expressiven, figurativen Formsprache unter anderem geprägt von der Wiener Schule eines Schiele, oder Hrdlicka, ebenso wie vom Amerika der 1950er Jahre. Seine malerischen Arbeiten wandeln zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion und wurden von Khol in jüngster Zeit vermehrt ins Dreidimensionale übersetzt und weiterentwickelt. So entstand Schritt für Schritt ein Werk, das eine Evolution birgt – von abstrakter Malerei, hin zur kraftvollen überlebensgroßen Skulptur.
David Meran
*1991 in Kirchdorf an der Krems, in Oberösterreich, lebt und arbeitet in Wien
Er studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der Geidai – Tokyo University of the Arts in Japan.
David Merans künstlerische Arbeit erforscht die Fragilität, die Gespanntheit, die Balance den Widerspruch von Realitätskonstruktionen und sozialen Übereinkünften. Gesellschaftliche Codes und Konventionen übersetzt der Künstler in Skulpturen aus unkonventionellen Materialien, die ästhetische Koppelungen oder Brüchen darstellen. Ein ironischer Perspektivenwechsel wird durch einen zukunftsorientierten Blickwinkel ebenso behauptet, wie institutionelle Kritik am Kunst- und Kulturbegriff an sich.
Heiner Meyer
*1953 in Bielefeld, DE, lebt und arbeitet in Bielefeld, DE
Konsequenz und undogmatische Kompromisslosigkeit charakterisieren die Malerei Heiner Meyers, einem ehemaligen Meisterschülers Salvador Dalìs, ebenso wie die Prinzipien einer »arte sull’arte«, einer Kunst, deren primäres Thema die Kunst ist. Souverän legt er in seinen Arbeiten Zitate und Adaptionen der unterschiedlichsten Provenienzen in Schichten übereinander und demonstriert damit die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.
Julian Opie
*1958 in London, GB, lebt und arbeitet in London, GB
Julian Opie ist zweifellos einer der bekanntesten zeitgenössischen britischen Künstler. Ausgangspunkt für seine Malereien, Drucke und Skulpturen sind Fotografien von Personen, die er danach digital manipuliert. Opie reduziert Gesichtszüge und Körper durch dicke schwarze Konturen auf das Wesentliche, ohne dass die charakteristische Eigenart der dargestellten Person verloren geht. Diese scheinen durch die plakative Vereinfachung noch deutlicher hervorzutreten, wie bei seiner berühmten Covergestaltung des Best-of-Blur-Albums.
Mel Ramos
*1935, Sacramento, USA, +2018, Oakland, USA
Der ehemalige Schüler von Wayne Thiebaud begann in den 1960er Jahren Motive von Superheldinnen, wie Wonder Woman oder Pin Up Girls in seinen typischen Arrangements, die auf normierte Werbeästhetiken verweisen, darzustellen. Als Vertreter der Pop-Art setzte er sich somit mit der Thematik auseinander, dass Produkte über die Darstellung aufreizender weiblicher Sexualität verkauft werden sollten. Die sog. „Commercial Pin-Ups“ sollten über Jahrzehnte das Markenzeichen von Mel Ramos bleiben.
Barbara Reisinger
*1955 in Schwäbisch Gmünd, DE, lebt und arbeitet in Salzburg
Das Bilden zeitgenössischer Gefäßformen, die gesellschaftsrelevanten Geschichten von Behältnissen und die Form und Gestaltung als Objekt und Bildträger waren zu untersuchende Fragestellungen in Barbara Reisingers frühen Objektserien. Heute arbeitet sie intensiv an dem Thema Ton als Werkstoff und versucht, künstlerische Grenzen auszuloten und verschiedene Materialien zu kombinieren.
Kathrin Isabell Rhomberg
*1990 in Salzburg, lebt und arbeitet in Wien
Die aufstrebende Salzburger Künstlerin Kathrin Isabell Rhomberg studierte Malerei an der Universität für angewandte Kunst in Wien und am Wimbledon College of Arts in London, GB und schloss ihr Studium der Malerei im Jahr 2020 ab. In ihren jüngsten Malereien behandelt sie das Motiv des Faltenwurfs. Dabei bewegt sie sich zwischen Figuration und Abstraktion sowie der Darstellung von Künstlichkeit und Natürlichkeit.
Zoe Vitzthum
*1995 in Hallein, lebt und arbeitet in Salzburg
Zoe Vitzthum studiert Kunst an der Universität Mozarteum in Salzburg. Viele Installationen und Werke der jungen Bildhauerin und Objekt-Künstlerin kreisen um die Themen der Esskultur, bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Küche und Alltag. Jüngst wurde eine Installation vom Salzburg Museum angekauft.