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Galerie HAAS & GSCHWANDTNER, Ian Davenport, Summer, 2019

Galerie HAAS & GSCHWANDTNER, Ian Davenport, Summer, 2019

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Ian Davenport – Colour Explosion

15/07/2021 - 11/08/2021

Ian Davenport – Colour Explosion

Der Britische Ausnahmekünstler Ian Davenport zeigt in seiner Einzelausstellung COLOUR EXPLOSION einen Querschnitt aus seinem umfangreichen druckgrafischen Werk. Schwerpunkt der Ausstellung sind Radierungen und Siebdrucke der vergangenen 20 Jahre sowie drei Zeichnungen und ein Gemälde aus seinem persönlichen Archiv.

Ian Davenport ist bekannt für seine minimalistisch-ästhetische Formensprache. Zu Ikonen sind seine sogenannten „Puddle-Paintings“ (dt. „Pfützenbilder“) geworden, deren Farben im unteren Bildrand zu Pfützen zusammenfließen, und das nicht erst nach der Bespielung des Swatch-Pavillons 2017 auf der 57. Biennale di Venezia. „Die Technik der Pfützen-Bilder ermöglicht mir eine präzise Kontrolle der Flüssigkeit“, erklärt Davenport in einem Interview im Sommer 2013 in Salzburg. Spricht der international anerkannte Künstler heute selbst über seine Werke, so geht es ihm vor allem um die technischen Herausforderungen und um das Zusammenspiel von akribisch geplanten Farbkompositionen und zufällig auftretenden Ergebnissen im künstlerischen Prozess.

Davenport nahm schon im Jahr seines Studienabschlusses, 1988, am renommierten Goldsmiths College, an der retrospektiv vielbeachteten Ausstellung Freeze teil. Die vom internationalen Kunststar Damien Hirst (*1965 Bristol, GB) kuratierte Schau ging in die Kunstgeschichte ein: Die Young British Artistswurden zum ersten Mal präsentiert. Danach ging es mit Davenports Karriere steil bergauf. 1991 wurde er für den renommierten Turner-Prize nominiert, 2003 fertigte er ein dreizehn Meter hohes „Puddle-Painting“ für die Days like These-Ausstellung in der Tate Britain in London.

Die Highlight-Ausstellung im diesjährigen Festspielsommer 2021 zeigt 27 herausragende Werke. Darunter das Gemälde (Circle Painting (Turquoise), 2002) und drei rare Acrylmalereien auf Papier (Black Lines on white paper, 1996, sowie Poured Lines „Yellow“ und „Signal Red“, 2006–10) aus dem persönlichen Archiv des Künstlers, sowie neueste Radierungen und Siebdrucke. Den Beginn des Ausstellungsrundganges bilden die drei Werke Colour Splat Fizz, Colour Splat Bang und Colour Splat Wallop (2019). Das Motiv der auf den Bildträger geschossenen Farbbomben entstand nach einem Workshop mit Kindern in seinem Atelier und wurde von Davenport in die Technik des Siebdrucks übersetzt. Seine frühen Arbeiten sind Illusionen der Gleichzeitigkeit, sie sind augenblickliche Empfindungen, die dann einer näheren Betrachtung weichen. Erst danach wird Davenports präzises Malen, Zeichnen, Drucken verständlich. Er navigiert, kontrolliert und steuert Farbe. Davenport ist ein Künstler, der untersucht und viel Wert auf Erfahrung legt.

Experiment und Zufall

Das Moment des Zufalls ist für Davenport ein wichtiger Faktor. Das Experimentieren mit den Farben, dem zufälligen Verlauf dieser zeigt Davenports Malerei Black Lines on White Paper aus dem Jahr 1996. Das Unikat stammt aus dem persönlichen Archiv des Künstlers. Davenport kontrolliert den Farbverlauf auf dem Bildträger Papier, indem er die schwarze Farbe mit Hilfe von Spritzen auf den oberen Rand des Blattes aufträgt und sie vertikal hinunterfließen lässt. Durch seine präzisen Kenntnisse der Materialien, schafft er sich eine enorme Freiheit in seinem experimentellen Arbeitsprozess.

Geometrie und Farbe

Auch die Form des Kreises, mit ihrer kontinuierlichen, ästhetischen Proportion bot dem Künstler viel Raum für Studien. Davenport sagt über sich selbst: „I have never really thought of myself as a painter, more as a sculptor who makes paintings“.(1)

Ab Mitte der 1990er Jahre beschäftigt sich Davenport intensiv mit geometrischen Formen. Inspiriert durch seine Fahrten in sein Studio nach East London, auf denen er den Rotherhithe Tunnel durchqueren musste, entstanden seine sogenannten „Arch-Paintings“.(2) Diese sind angelehnt an die Form der Bögen des Tunnels (konstruiert 1904–08). Daraus resultierend entstand Davenports sechsteilige Siebdruckserie Ovals (2002) die die geometrische Form eines Kreises in sechs verschiedenen Farbvarianten zeigt. Die Serie fällt in die Zeit seiner „Circle Paintings“ (2001–06). Die Farben der einzelnen Kreise weichen teilweise minimal ab oder bilden im Gegenzug starke Kontraste, wie jener des schwarzen Kreises auf dem weißen, quadratischen Grund. Die Farbe des Bildträgers ist matt, die Kreise sind hingegen in Hochglanz gedruckt. Davenports Arch- und Oval-Serien sind angelehnt an die frühe Arbeit von Ellsworth Kelly (*1923, New York, USA – 2015, ebenda) White Plaque: Bridge Arch and Reflection (1952–55) aus der Sammlung des MoMa in New York. Der US-amerikanische Maler und Bildhauer spiegelt in dieser Collage auf weißem Papier zwei matt-schwarze Halbkreise, zusammengeklebt durch einen schmalen, schwarzen, hochglänzenden Streifen.

Eine weitere hochkarätige Arbeit aus dieser Werkgruppe ist die Malerei auf Holzfaserplatte Circle Painting (Turquoise) aus dem Jahr 2002. Davenport verwendet hier erstmalig hochglänzende Haushaltsfarbe. Auf der türkis-grundierten MDF Platte schreibt sich die geometrische Figur des Kreises ein. Die Platte wird hierfür in ein kippbares Gestell gespannt. Anschließend gießt Davenport hochkonzentriert Farbe in die Mitte der quadratischen Bildfläche. Nachdem sich die Farbe konzentrisch verteilt, wird die Bildfläche einmal um 180 Grad gedreht, damit die Farbe gleichmäßig abfließen kann. Kleine Tropfen und Rinnspuren zeugen von diesem Werkprozess, den Davenport bis zur Perfektion treibt.

Drucke und Unikate

Die Darstellung wiederholter geometrischer Formen bringt den Verzicht mit sich, über ausgefeilte Motive nachzudenken und führte Davenport zu seinem Interesse an Farbskalen und ihrer genauen und komplexen Studien. Untersuchungen von Gemälden Alter Meister und deren Farbaufbau folgten ab 2010. Die Farbpaletten von Klassikern von Hans Holbein d. J. (*1497, Augsburg, DE – 1543, London, GB) und anderen, setzte Davenport in seiner bekannten Manier der Streifenbilder um. Die Appropriation, also die Aneignung von Motiven in der Kunstgeschichte war hierfür inspirierend. In den Jahren 2019 und 2020 beschäftigt sich Davenport mit Farb- und Lichtstudien zu Tages- und Jahreszeiten, wie die Radierungen Spring, Summer und Winter, aus der Serie The Four Seasons. Entstanden ist ebenso die eindrucksvolle Serie Diagonals. Die Drucke wurden auf der gleichen Kupferplatte geätzt in unterschiedlichen Kombinationen von Vorder- und Hintergrundfarben. Basierend darauf fertigte er Monoprints, wie 6 am Ghost oder 7 am Ghost. Die blassen, pastellfarbenen Unikate werden als Ghost-Prints bezeichnet, da die Kupferplatte nach dem Druck der eigentlichen Serie, nicht noch einmal gefärbt, sondern direkt für einen unabhängigen Druck verwendet wurde.

Zwischen 2006 und 2010 entstanden die beiden Unikate Etched Lines: Thirty Four und Thirty Six. Schon zu Beginn des Millenniums testete Davenport neue Techniken und Methoden um seinen künstlerischen Schaffensprozess zu beschleunigen, da er seine Ideen für sich selbst nicht schnell genug umsetzen konnte. Laut Davenport fertigte er damals ca. 20 Ölgemälde im Jahr und verglich diese Menge mit jener von Pablo Picasso, der oftmals an einem Tag ein Ölgemälde fertig stellte. Seine Streifenbilder beziehen sich auf kunsthistorische Vorbilder aus der englischen Malerei. Abstrakt wirkende Linien finden sich u.a. schon in Aquarellen von J.M.W. Turner (*1775, London – 1851 ebenda) in denen er atmosphärische Lichtphänomene diverser Naturereignisse malte.(3)

Ian Davenports Drucke und Unikate auf Papier weisen eine hohe Licht- und Farbintensität auf. Die Produktion von Radierungen und Siebdrucken bringt eine Vielseitigkeit mit sich. Unterschiedlichste Variationen, in der Farbgebung oder in der Wahl des Papieres können umgesetzt werden. Farben und Farbzusammenstellungen dominieren Davenports Kunstwerke, ob gigantische Farbsäulen, die mit dem Boden verschmelzen, wie in seinen Puddle-Paintings, oder die großen Kontraste der einzelnen Farbstreifen seiner Drucke lassen viel Raum für Betrachter_innen.

Martina Pohn, Juli 2021

 

(1) Zitat aus dem Interview von Batchelor, David, Homage to Homer: Ian Davenport in conversation with David Batchelor, in: Ian Davenport: New Paintings, London, 2003, S. 7.

(2) Vgl. im Folgenden Filler, Martin: Ian Davenport. 25 Years of Painting, London, 2014, S. 105 – 109.

(3) Vgl. im Folgenden Filler, Martin: Ian Davenport. 25 Years of Painting, London, 2014, S. 180.